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Kritik - next to normal - Reunion / Autorin: Astrid Wey & Jenny Wagner

Next to normal - Reunion

 

Fürth

14. & 15. 12.2023
Stadttheater Fürth

 

Autorin: Astrid Wey & Jenny Wagner

 

Emotionale Reunion an dem Ort, wo alles begann

Das Stück von Tom Kitt (Musik) und Brian Yorkey (Buch & Liedtexte) feierte 2008 seine Premiere zunächst Off-Broadway, bevor es 2009 an den Broadway kam und im selben Jahr bei den Tony Awards mehrere Preise sowie 2010 den Pulitzerpreis gewann. Nach der Uraufführung 2013 in Fürth gab es nun 10 Jahre später noch einmal eine konzertante Aufführung mit der Originalcast. 

 

Next to normal erzählt die Geschichte einer amerikanischen Vorort-Familie, insbesondere im Hinblick auf die bipolare Störung der Mutter Diana Goodman sowie die Auswirkungen auf das Leben aller Familienmitglieder.

Eines Morgens bereitet Diana das Frühstück zu und scheint dabei sehr verwirrt zu sein. Ihr Mann Dan versucht ihr zu helfen. Die Tochter Natalie entzieht sich rasch der Situation und verlässt den Raum. Genauso wie ihr Bruder, den offenkundig jedoch niemand beachtet. Dianas zahlreiche Arztbesuche prägen den Tagesablauf und das Familienleben. Natalie fragt zunächst oft hoffnungsvoll was der Arzt gesagt hat. Obwohl Dianas Ärzte stets neue Methoden ausprobieren, um ihre Krankheit und Halluzinationen zu behandeln, ist der Erfolg mäßig und Diana von einem stabilen Zustand weit entfernt. Oft tauscht sich Diana mit ihrem Sohn über ihre Situation aus. Natalie kommt ihrem Schulkameraden Henry näher, möchte diesen aber nicht der Familie vorstellen. Als er doch einmal zum Abendessen bleibt, bringt Diana eine Geburtstagstorte herein und möchte den Geburtstag ihres Sohnes Gabe, dessen Name erst jetzt offenbart wird, feiern. Dan und Natalie sind bestürzt und die Stimmung kippt. Gabe trägt den Geburtstagskuchen aus dem Raum und Natalie klärt Henry auf, dass ihr Bruder seit Jahren tot und somit nur eine der Halluzinationen ihrer Mutter ist. Dan kümmert sich um Diana, welche am Boden zerstört ist. Gabe versucht sie auf seine Seite zu ziehen und möchte nicht, dass sie auf Dans Behauptungen hört. Trotz des Festhaltens von Diana an Gabe, beginnt diese die Behandlung bei einem neuen Arzt, Dr. Madden. Er behandelt Diana mit Hypnose bis diese an dem Punkt ist, ihren Sohn gehen zu lassen. Dies resultiert letztlich allerdings in einem Selbstmordversuch Dianas, von welchem Dan und Natalie bestürzt sind, Gabe seiner Mutter jedoch gut zuredet. Dr. Madden regt nunmehr Elektroschocktherapie an und Diana willigt letztlich ein. Schlussendlich verliert sie jedoch ihre kompletten Erinnerungen und muss zunächst sogar an Dan und Natalie erinnert werden. Natalie setzt die Situation mit ihrer Mutter so sehr zu, dass sie anfängt Drogen zu nehmen.  Nichtsdestotrotz hilft sie ihrem Vater dabei, ihre Mutter an alles zu erinnern. Das Thema Gabe umschiffen sie zunächst, doch Diana erinnert sich selbständig an ihren Sohn, erkennt jedoch, dass sie diesen gehen lassen muss und unterzieht sich weiterer Behandlungen bei Dr. Madden.  Zudem erkennt sie, dass sie nicht mehr mit Dan zusammen sein und das gemeinsame Familienleben weiterführen kann. Sie verlässt das Haus und lässt Dan im Dunkeln zurück. Dieser wird so von Natalie nach dem Schulball gefunden, sie schaltet das Licht ein und ist sich sicher, dass die beiden gemeinsam einen Weg finden werden.

 

Das Musical 

Das Musical greift vielerlei schwere (Tabu-) Thematiken wie Depression, Trauer, Selbstmord, Kindstot, Drogenkonsum und gesellschaftlicher/familiärer Druck auf.

Am 13. Oktober 2013 fand am Stadttheater Fürth die deutschprachige Erstaufführung statt. Das Stück übertraf alle Erwartungen und wurde ein Riesenerfolg. Nun kehrt das Stück nach nunmehr 10 Jahren in Originalbesetzung für vier Spieltermine (14.-17. Dezember 2023) als konzertante Reunion an seine Geburtsstätte zurück. Titus Hoffmann war für die deutsche Übersetzung zuständig und führt bei der jetzigen Konzertante als Moderator durch den Abend. Er berichtet von den Anfängen des Stücks und lässt auch die Cast in Erinnerungen schwelgen.

Das herrliche neubarocke Stadttheater Fürth hat es mitunter seinem (mittlerweile damaligen) Intendanten Werner Müller zu verdanken, dass es die Geburtsstätte des deutschsprachigen „next to normal“ wurde. Das Stück wurde 2013-2014 in Fürth aufgeführt und aufgrund der großen Nachfrage 2015 wieder aufgenommen. In der Originalproduktion fand es 2016 seinen Weg nach Wien, bevor es 2017 erneut am Stadttheater Fürth sowie der Staatsoperette Dresden gezeigt wurde. Insgesamt wurde die deutsche Version mittlerweile über 30mal aufgeführt.

 

Zur 10-jährigen Reunion wurde eine konzertante Aufführung der Originalcast gezeigt, welche von Videobotschaften, originalen Videoaufzeichnungen aus der damaligen Proben- und Spielzeit sowie Anekdoten aus den Anfängen getragen wurde. Die Moderation und das Konzept oblag Titus Hoffmann. Besondere Erwähnung fand zudem der originale Sounddesigner Daniel Sellinger, welcher erneut den Abend in Szene setzte sowie für die CD-Aufnahme verantwortlich ist. Die Cast nahm die Zuschauer auf einer simplen Bühne mit stimmungsvollen Video- sowie Lichteffekten in die Geschichte der Familie Goodman mit. Die eingängigen emotionalen, rockigen Melodien wurden von der 7-köpfigen Originalband unter der Leitung von Christoph Wohlleben hervorragend interpretiert und dargeboten. Die Band war auf der Bühne hinter den Notenpulten der Darsteller ganz nah mit dabei und ein wesentlicher Bestandteil dieser Aufführung.

 

Allein der Umstand, dass zur Reunion diese hervorragende Originalcast auf der Bühne stand, machte diese Konzertante so besonders. Zuweilen musste die Cast von einer Sekunde auf die nächste aus einer zwanglosen Bühnenplauderei in eine hochemotionale Szene springen, was unglaublichen Respekt verdient. Die Themen des Stücks sind nicht einfach. Die Darsteller waren emotional sehr stark involviert und in manchen Szenen zu Tränen gerührt, so dass auch beim Publikum nicht jedes Auge trocken blieb.

Der Fokus lag auf der konzertanten Darbietung sowie der Zelebration des Stücks und seiner Entstehung, sodass es einige Backgroundinformationen gab.  Obwohl das Schauspiel dosiert eingesetzt wurde, konnte man als Zuschauer dank der Erläuterungen von Titus Hoffmann dem Plot folgen, auch ohne das Stück zu kennen. Die Moderation war genau richtig eingesetzt, sodass die Musikstücke und die Leistung der Cast im Fokus standen. Besonders interessant waren die Berichte, wie das jeweilige Castmitglied zur Produktion gekommen ist. Auf Pia Douwes wurde für die Besetzung extra gewartet. Thomas Borchert musste lediglich zur "Audition" mit dem Intendaten telefonieren, Sabrina Weckerlin sprach vor, weil es gerade "keine Rolle für sie sei" und Dirk Johnston ist es überhaupt zu verdanken, dass „next to normal“ nach Deutschland kam. Dominik Hees sprach damals überhaupt nicht vor, wurde aber glücklicherweise von Titus Hofmann persönlich involviert. Die ganze Cast ist fantastisch und begeistert die Zuschauer  mit ihren großartigen Stimmen. Besonders schön ist, dass Dominik Hees nach seiner Krankheit zur Reunion wieder auf der Bühne stehen konnte. Die Dankbarkeit der Cast und die besondere Verbindung durch die Produktion waren bis in den Zuschauerraum spürbar.

 

Die Cast 

Diana Goodman ist als Mutter die Hauptfigur des Stücks. Seit Jahren ist sie aufgrund ihrer Krankheit bei diversen Ärzten in Behandlung. Pia Douwes interpretiert die Halluzinationen von Diana so authentisch, dass man erst später erfährt, dass ihr Sohn Gabe seit Jahren nicht mehr lebt.

 

Dan Goodman leidet als Vater der Familie an eigenen Depressionen und möchte stets, dass alles wieder gut wird und "normal". Felix Martin und Thomas Borchert (in geteilter Rolle) zeigen einen Familienvater, der das Ausmaß der Krankheit seiner Frau nicht wirklich wahr haben will. Seine Hilflosigkeit macht ihn zudem blind für die Probleme seiner Tochter Natalie.

 

Natalie Goodman strebt als Tochter nach Perfektion und lässt die Frustration und Hilflosigkeit über die Krankheit ihrer Mutter an Henry, einem Schulkameraden und ihrem späteren Freund, aus. Sabrina Weckerlin singt und spielt eine Teenagerin, die sich nach Liebe sehnt und dennoch diese von Henry zunächst nicht anzunehmen weiß.

 

Gabe Goodman ist der vor 17 Jahren gestorbene Sohn, der jedoch von Diana weiterhin als Halluzination "gesehen" wird und Dirk Johnston tut alles, um nicht nur in der Erinnerung seiner Mutter weiterhin präsent zu sein. Die Bühnenpräsenz dieses Darstellers lässt die Zuschauer zunächst in dem Glauben, Gabe wäre tatsächlich anwesend.

 

Henry ist ein Kiffer und Freund der Tochter. Dominik Hees präsentiert diesen als etwas unbeholfen, aber zugleich standhaft bemüht um die Gunst Natalies. Letztlich schafft er es, das junge Mädchen davon zu überzeugen, seine Freundin zu werden und gemeinsam mit ihm zum Abschlussball zu gehen.

 

Ramin Dustar rockt als Dianas Ärtze  Dr. Fine/ Dr. Madden und porträtiert die oftmalige Hilflosigkeit und Experimentierfreudigkeit der Götter in Weiß. Dass ihn sogar Tom Kitt aufgrund einer Merch-Tasse in Amerika als Darsteller seines next to normal erkannt hat, spricht für die Tragweite des Stücks an sich.

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