Premiere A Chrorus Line
Bad Hersfeld
2206.2024
Stiftsruine
Autorin: Astrid Wey
A Chorus Line- Premiere in Bad Hersfeld
Das Musical A Chorus Line feierte am 22.06.2024 in der Stiftsruine Bad Hersfeld eine rauschende Premiere. Das begeisterte Premierenpublikum spendete immer wieder Szenenapplaus und am Ende gab es verdiente, minutenlange Standing Ovations. Auch zahlreiche bekannte Musicaldarsteller waren nach Bad Hersfeld gekommen, um ihre Kollegen zu bewundern und zu feiern, darunter Daniela Ziegler, Andreas Bongard, Sandra Leitner, Tobias Bieri und Gianni Meurer.
Bereits 1975 wurde A Chorus Line uraufgeführt und gewann 1976 bei den Tony Awards 9 Preise bei 13 Nominierungen. Zusätzlich wurde das erfolgreiche Stück noch mit dem „Pulitzer Prize“ gekürt, eine besondere Ehre, die nicht vielen Musicals zuteil wird. 1980 feierte das Musical seine deutschsprachige Premiere in Berlin. 2024 sind die Bad Hersfeld Festspiele sehr glücklich, dass sie als erstes deutschsprachiges Theater A Chorus Line in eigener Choreografie und Inszenierung zeigen dürfen. Dadurch konnten die beteiligten Darsteller auch eigene Erfahrungen mit einbringen. Und bei dieser Erfolgsstory verwundert es nicht, dass die auserwählten Darsteller sich besonders geehrt fühlen, in dieser Produktion mitwirken zu dürfen. Das Regieteam musste aus mehreren hundert internationalen Bewerbungen eine finale Auswahl treffen. Passend dazu äußerte sich Festspiel Intendant Jörn Henkel: "In diesem Jahr hatten wir die absurde Situation, dass wir bei den Auditions quasi unser Stück nachgespielt haben."
Dank der Bad Hersfelder Festspielen durfte ich bei der Premiere am 22,06.24 dabei sein.
Das Musical
Die Geschichge von A Chorus Line erzählt vom Alltag der Darsteller und gibt einen detaillierten Einblick in den Casting Prozess. Mehrere hundert Bewerber hoffen auf einen der Plätze im Ensemble, jedoch werden nur vier Tänzerinnen und vier Tänzer am Ende einen der heißbegehrten Jobs bekommen. Zu Beginn werden auf einer Videoleinwand in schwarz weiß Szenen eine Casting Vorauswahl eingespielt, die mit Freiwilligen in Bad Hersfeld aufgenommen worden sind. Dann beginnt die Show mit einer weiteren Auswahlrunde, in der die Bewerber in kleinen Gruppen vortanzen und immer wieder singen 'Ich brauch den Job' oder 'Ich hoff, ich schaff es'. Der Regisseur Zach führt einen erbarmungslosen Auswahlprozess durch und einige Akteure werden jetzt schon nach Hause geschickt.
Bei den verbleibenden 18 Darstellern gibt sich Regisseur Zach nicht damit zufrieden, dass diese ihr Können als Tänzer und Sänger unter Beweis stellen, sondern er will auch sehr persönliche Dinge wissen. So muss jeder Einzelne aus seinem Leben erzählen. Es folgen sehr persönliche Geschichten, die Akteure geben zum Teil Dinge preis, die sie noch nie jemandem erzählt haben. Themen wie Selbstzweifel, Versagensängste, Homosexualität, Mobbing oder sogar Selbstmordgedanken kommen an die Oberfläche. Eine der Tänzerinnen, Cassie, ist eine ehemalige Geliebte von Zach, was für zusätzliche Dramatik sorgt. Es wird dem Publikum klar, dass die Beiden längst nicht miteinander abgeschlossen und immer noch Gefühle für einander haben. Dieser Spannungsbogen wird aber bis zum Ende nicht gelöst. Im Fokus stehen die individuellen Lebensgeschichten und Emotionen der Kandidaten, wer am Ende zu den 8 Auserwählten gehört ist nicht so wichtig.
A Chorus Line ist noch bis zum 18. August in der Stiftsruine zu sehen.
Melissa King als Regisseurin und Choreographin hat die Geschichte toll inszeniert. Zu Beginn werden Videosequenzen auf der Mitte der Bühne gezeigt, später werden die Videoleinwände an die beiden Seiten der Bühne geschoben. Während des Stücks werden immer wieder Live-Nahaufnahmen eingespielt, mal von den Darstellern, wie sie auf der Linie stehen, mal vom jeweiligen Solisten und auch vom Regisseur Zach, der die meiste Zeit an seinem Regietisch mitten im Publikum sitzt und von dort seine Anweisungen gibt oder die Unterlagen der Bewerber durchsortiert.
Karin Fritz hat das Bühnenbild sehr einfach, aber dafür um so realistischer, gestaltet. Spiegelelemente wie in einem Tanzsaal beherrschen die Bühne und werden immer wieder für die einzelnen Solisten verschoben und anders angeordnet. Im wahrsten Sinne des Wortes wird den Akteuren hier 'der Spiegel vorgehalten'.
Die Kostüme von Conny Lüders bestehen aus bunten individuellen Sportoutfits, wie das bei Auditions üblich ist. Lediglich in der Schlussszene treten die Akteure in glänzenden Revueoutfits auf.
Die Musik ist ein klassischer Broadway-Stil mit einigen Balladen, jedoch fehlen Ohrwürmer, die den Zuschauer auch nach der Show noch nach Hause begleiten. Das Orchester unter der Leitung von Christoph Wohlleben liefert qualitativ hochwertige musikalische Begleitung und die Technik sorgt für einen tollen Sound, die Abstimmung zwischen Solisten und Orchester ist sehr gut gelungen.
Die Inszenierung ist insgesamt sehr gut gelungen und ein Besuch in der Stiftsruine ist eine Must See für jeden Musicalliebhaber. Die Performance ist großartig, die Stimmung in der Stiftsruine ist immer ganz besonders und Optik sowie Sound sind fantastisch. Es ist sehr interessant, tiefere Einblicke in den Castingprozess zu bekommen. Da aber nicht jeden Zuschauer jede einzelne Lebensgeschichte gleichermaßen anspricht, wirkt das Stück in manchen Passagen etwas langatmig. Anders als bei den gängigen Musicals fehlt hier ein sich aufbauender Spannungsbogen, letzten Endes ist es für das Publikum nicht ausschlaggebend, welche 8 Bewerber den Zuschlag erhalten. Auch die Beziehung zwischen Cassie und Zach bleibt am Ende ungeklärt. Die internationale Besetzung führt hier- wie bei den meisten deutschsprachigen Produktionen- dazu, dass einzelne Darsteller mit relativ starkem Akzent sprechen.
Die Cast
Die gesamte Cast ist großartig ausgewählt und hat das Premierenpublikum mit tänzerisch und sängerisch tollen Leistungen begeistert. Authentisch werden die Lebensgeschichten der verschiedenen Protagonisten mit viel Emotionen und Leidenschaft erzählt. Dabei geht es um Kindheit, Ängste, Mobbing, Sexualität und vieles mehr. Es würde den Rahmen sprengen, auf jeden Einzelnen detailliert einzugehen.
Arne Stephan überzeugt als Regisseur Zach, dem es nicht reicht, zu sehen, wie gut die Darsteller singen und tanzen können. Unerbittlich bohrt er solange nach, bis die Bewerber sich öffnen und intime Details aus ihrem Leben preisgeben.
Emma Kate Nelson spielt Zachs frühere Geliebte Cassie. Hervorragend schafft sie es zu vermitteln, dass zwischen den Beiden noch Gefühle in der Luft liegen und eine besondere Spannung herrscht.
Alan Byland steht als Zachs Assistent Larry auf der Bühne. Neben dem Einstudieren mancher Choreographie fällt ihm auch wiederholt die Aufgabe zu, als Kameramann die Tänzer zu filmen.
In weiteren Rollen waren auf der Bühne zu sehen:
William Briscoe-Peak (Richie), Anneke Brunekreeft (Judy), Pascal Cremer (Bobby), Thiago Fayad (Greg), Rhys George (Don), Olivia Grassner (Sheila), Julia-Elena Heinrich (Kelly), Maria Joachimstaller (Kristine), Lavinia Kastamoniti (Vicky), Katrin Merkl (Tricia), Clara Mills-Karzel (Val), Myrte Monteiro (Diana), Kelly Panier (Maggie), Kevin Reichmann (Paul), Alessandro Ripamonti (Mark), Stefan Schmitz (Frank), Anton Schweizer (Tom), Grace Simmons (Lois), Benjamin Sommerfeld (Al), Tobias Stemmer (Roy), Samantha Turton (Bebe), Johan Vandamme (Mike) und Vivian Wang (Connie)
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Wahl, Gerhard (Mittwoch, 07 August 2024 23:10)
Sehr treffende Kritik, es weicht von anderen Musicals ab, kein aufbauender Stimmungsbogen und teils langatmig.
Nicht für alle toll.
Gesungen, getanzt wird leidenschaftlich.