Interview mit Jan-Philipp Rekeszus

 

Wir haben mit Jan-Philipp Rekeszus über sein aktuelles Engagement bei Sweeney Todd,

seine Zeit in Tecklenburg und seine Ausbildung gesprochen.  

 

Quelle: Instagram Jan-Philipp Rekeszus

Fangen wir bei Ihren Anfängen an:

Wie sind Sie zum Musical gekommen und wie waren Ihre Erfahrungen während Ihrer Ausbildung?

Ich bin sehr zufällig auf das Genre gestoßen. Ich habe damals für die Schule in der Tonabteilung des Staatstheaters Wiesbaden ein Praktikum gemacht und dort das erste Mal ein Musical gesehen. Ich erfuhr, dass es sich bei dem Musicalensemble um den "Jugendclub" handelte, bei dem ich mich im Anschluss des Praktikums bewarb und aufgenommen wurde. Nach meiner Ausbildung an der Universität der Künste in Berlin habe ich mich mit den Worten: "Das waren die schönsten und schrecklichsten vier Jahre meines Lebens" verabschiedet. Ich würde mein Studium nicht missen wollen, vor allem die gemeinsame Leidenschaft mit meinen wundervollen Kommiliton:innen, mit denen ich teilweise bis heute Kontakt pflege. Trotzdem würde ich es nicht  wiederholen wollen, weil ich mich selbst enorm unter Druck gesetzt habe, viele Schamgefühle hatte und mich von pädagogisch unbrauchbaren Kommentaren schwer abgrenzen konnte.

 

Was ist Ihre schönste und was Ihre prägendste Erinnerung aus Ihrem bisherigen Werdegang?

Frank N. Furter in der Rocky Horror Show war immer eine Traumrolle die ich unbedingt spielen wollte. Im Sommer 2022 hatte ich das Vergnügen den Charakter unter der Regie von Sebastian Ritschel im Alten Schlachthof Dresden kreieren zu dürfen, was eine unglaublich tolle Erfahrung war. Das passiert gar nicht so oft, dass bei einer Produktion wirklich alles stimmt: Das Team, die Rolle, die Kostüme, die Atmosphäre, das Theater bzw. in diesem Fall die Location. Ich habe selten so geschwitzt, aber was man bei dieser Show vom Publikum zurückbekommt ist unbeschreiblich. Eine schöne und prägende Zeit zugleich. 

 

Letzten Sommer haben Sie Amadeus Mozart verkörpert. Spätestens seitdem sind Sie jedem Musicalgänger ein Name. Wie war es als "Mozart" auf der Bühne zu stehen bzw. den Sommer über in Tecklenburg? Wie fassen Sie diese Erfahrung rückblickend zusammen?

Als ich die Anfrage bekam, wusste ich gar nicht ob ich das kann. Die Rolle verlangt einem sehr viel ab und das Ganze dann auch noch auf einer riesigen Freilichtbühne, das hat viel Mut gekostet. Ich habe oft in mein Notizbuch geschrieben, dass mich dieser Sommer in Tecklenburg sehr lebendig gemacht hat. Ich bin leider während des Sommers an einer Stimmbandentzündung erkrankt, was mir meine eigene Zerbrechlichkeit und in gewissem Maße auch die der Rolle gespiegelt hat. Und das bedeutet es doch am Ende lebendig zu sein: Selbstbewusst in seiner Kraft stehend, aber auch schwach und unsicher. 

 

Von "Mozart" und einer sehr zerrissenen Rolle ging es im Herbst zu "Cabaret", wo Sie herrlich komödiantisch den Conférencier gemimt haben. Nunmehr spielen Sie "Anthony Hope", einen verliebten Seemann in "Sweeney Todd".

Ist die Vorbereitung auf unterschiedliche Rollen relativ gleich oder variiert diese und wie sieht Ihre persönliche Vorbereitung auf eine Rolle aus?

Ich kriege erst auf der Probe und vor allem auf der Bühne ein echtes Gefühl für die Rolle. Natürlich macht man sich vorab Gedanken über den Charakter, aber wie ist es in dem Körper dieser Figur zu sein? Das kann ich nicht Zuhause herausfinden. Ich versuche immer so viel wie möglich von mir selbst in meine Rollen einfließen zu lassen, um eine Authentizität herzustellen. Einer meiner größten Freuden ist die Wandelbarkeit. Ich behaupte ich kann Menschen immer wieder überraschen, weil ich viele Facetten habe und versuche ein Schema F zu vermeiden. An dieser Stelle auch nochmal danke an alle Regisseure, die mich in den verschiedensten Rollen besetzt haben. Ich bin schon ein wenig stolz Rollen wie Anthony Hope und gleichzeitig Frank N. Furter auf meiner Vita zu haben. 

 

Haben Sie sich für Ihre Rolle des "Anthony Hope" am bekannten Tim Burton - Film orientiert oder woher haben Sie Ihre Inspiration für diese Rolle gezogen? 

Unser Regisseur Martin G. Berger hatte eine ganz eigene Idee von Anthony Hope, welche stark vom Film abweicht. Er zeichnet ihn als Prolet, schmutzig und alkoholisiert, der sich in Johanna schockverliebt wie in ein unerreichbares Model eines Magazincovers. 

 

Wie ist es in Stücken, bei denen man sich die Besetzung einer Rolle, in diesem Fall mit Gero Wendorff, teilt? Gibt es einheitliche Parameter bzw. spricht man sich gewissermaßen ab oder ist jedem die Gestaltung selbst überlassen?

Ich bin ja erst einige Wochen nach der Premiere zur Produktion dazugestoßen. So habe ich mich weitestgehend an die Anlegung der Rolle gehalten. Gleichzeitig war Martin auch bei meinen Proben mit dabei und gab mir noch Input für meine persönliche Darstellung von Anthony. 

 

Was haben Jan-Philipp und Anthony Hope gemeinsam und wo unterscheiden sie sich?

Ich bin weit davon entfernt ein Prolet zu sein, auch wenn ich Anteile in mir abrufen kann, an die ich mich aus meiner pubertären Selbstfindungsphase in (heute würde man toxischen sagen) Männerrunden erinnern kann. 

 

Glücklicherweise gibt es einige Spielstätten und Theater in Deutschland. In welchem Theater haben Sie bisher am liebsten gespielt und warum und wo würden Sie noch gerne einmal spielen?

Ich würde die Rocky Horror Show schon gerne nochmal in genau derselben Konstellation in Dresden spielen. Dieser alte Schlachthof hatte einfach den perfekten Vibe für die Show. Abgesehen davon habe ich mich in fast allen Theatern sehr willkommen geheißen gefühlt. Das mag ich grundsätzlich an Theatern: Man ist willkommen, egal wo man herkommt und was man macht.

 

Was würden Sie jemandem mit auf den Weg geben, der davon träumt, Musicaldarsteller zu werden? Und was war vielleicht der bedeutendste Tipp, den Sie während Ihrer Karrierelaufbahn bisher erhalten haben?

Ich glaube es ist extrem wichtig sein "Bühnen Ich" vom "privaten Ich" zu trennen. Wenn ich ehrlich bin, gelingt mir das erst jetzt so langsam. Das merke ich vor allem, wenn es um körperliches Versagen geht. Ich habe wahrscheinlich eine Ausfallrate von unter 1%, was unglaublich ist, wenn man darüber nachdenkt wie viele Shows ich schon gespielt habe. Und dennoch denkt man als Darsteller, vor allem wenn es kein Cover gibt: Ohne mich läuft der Laden nicht. Da müsste das private Ich eigentlich sofort einspringen und sagen: Stop! Du bist krank, du gehörst ins Bett und nicht auf die Bühne! Aber das sagt dir leider keiner im Theater. Unser Job ist Hochleistungssport plus Emotionalität und wir sind keine Maschinen. Folglich würde ich jungen Menschen dazu raten nicht alles auf eine Karte zu setzen und sich früh mit psychischer Gesundheit in solch einem Beruf auseinanderzusetzen. So einen ähnlichen Tipp habe ich auch letzten Sommer bekommen. Auf jede Anspannung muss eine Entspannung folgen, sonst lädt sich der Akku nicht auf.